Als am 26. September die Dämmerung über Bonn hereinbrach, erleuchteten Laser, Displays und Roboterarme das Informatik-Zentrum der Universität Bonn. Das Gebäude auf dem Campus Poppelsdorf verwandelte sich in ein Meer aus bunten Lichtern: Laserstrahlen tanzten über Wände, Roboterarme griffen nach Alltagsgegenständen, und neugierige Besucherinnen und Besucher drängten sich durch die Labore.
Ein Abend voller Licht und Neugier
Über 400 Technikbegeisterte folgten der Einladung zur 4. Nacht der Technik Bonn/Rhein-Sieg und tauchten ein in die Welt von Künstlicher Intelligenz, Robotik und virtueller Realität. „Die Begeisterung und Offenheit der Besucherinnen war überwältigend“, resümiert Dr. Florentin J. Schmidt vom Transfer Center enaCom, das die Teilnahme der Universität Bonn koordinierte. „Gerade die Kombination aus Mitmachen, Staunen und Lernen zeigt, wie lebendig Forschung sein kann.“
Neben Angeboten der Informatik gaben auch die Fachbereiche Astronomie, Geodäsie und Landtechnik spannende Einblicke in ihre Arbeit. Und wer sich für die Geschichte des Rechnens interessierte, fand im Arithmeum originale Rechenmaschinen aus den 1960er Jahren – ein faszinierender Kontrast zur Hightech-Forschung von heute.
Enter the future: Das Angebot der Informatik Bonn
Im Informatik-Zentrum warteten gleich mehrere Stationen darauf, entdeckt zu werden. Von humanoiden Robotern über Künstliche Intelligenz bis hin zu spektakulären Lasershows präsentierten Studierende und Forschende, wie vielfältig moderne Informatik ist und wie nah sie am Alltag der Menschen bleibt.
Virtually there: RIFTCast und digitale Telepräsenz | Visual Computing Incubator – Prof. Dr. Hullin
Immersion im besten Sinne: Mit einer VR-Brille konnten Besucher*innen in das System RIFTCast eintauchen – ein Telepräsenz-Erlebnis, das reale Personen aus über 30 Kameraperspektiven in 3D erfasst. In dieser virtuellen Umgebung ließen sich Gespräche führen, fast so, als stünde man sich wirklich gegenüber.
Während die Gäste im Hörsaal per VR-Brille in die digitale Welt abtauchten, befanden sich am anderen Ende des Gebäudes Mitarbeitende des Visual Computing Incubators, die als reale Gesprächspartner live erfasst wurden. In der virtuellen Umgebung erschienen sie als täuschend echte 3D-Abbilder – erkennbar, beweglich, ansprechbar. Dieses Zusammenspiel von Aufnahmetechnik, Datenübertragung und Interaktion machte unmittelbar erlebbar, wohin sich Kommunikation der Zukunft entwickeln kann: hin zu Begegnungen, bei denen räumliche Distanz kaum noch eine Rolle spielt.
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Service Mode: Activated – Menschenähnliche Roboter und smarte Helfer | AG Autonome Intelligente Systeme – Prof. Dr. Sven Behnke
„How can I help you?“ Einen großen Auftritt hatte der Serviceroboter NimbRo@Home, der mit freundlicher Stimme auf Englisch die Gäste begrüßte und ihnen unter anderem sogar Eistee servierte. Ganz selbstverständlich navigierte er zwischen Tischen, griff nach Gegenständen und reagierte auf Sprachkommandos.
Gegenüber wartete das Avatar-System derselben Arbeitsgruppe auf neugierige Pilot*innen: Wer Platz nahm, konnte per Steuerkonsole einen Roboter aus der Ferne lenken – so präzise, dass man beinahe vergaß, nicht selbst vor Ort zu sein. Ein faszinierendes Beispiel dafür, wie Mensch und Maschine immer enger zusammenarbeiten.
Gleich daneben wartete ein humanoider Roboter, der dem menschlichen Körper nachempfunden ist. Er saß am Tisch, bewegte Kopf und Arme, griff nach Gegenständen und reagierte sensibel auf seine Umgebung. Er zeigte eindrucksvoll, wie nah Robotik und menschliche Bewegung inzwischen beieinanderliegen.
Ein weiteres Highlight war das Smart-Edge Sensor-Netz, das im gesamten Robotik-Labor installiert ist. Dutzende Sensoren, Kameras und Tracking-Systeme liefern hier in Echtzeit Daten über Bewegung, Position und Objekte im Raum. So entsteht ein hochvernetztes Umfeld, in dem Roboter lernen, ihre Umgebung zu erfassen und mit ihr zu interagieren – eine Schlüsseltechnologie für die autonome Robotik der Zukunft.
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Art & Play – Sketch-O-Bot und RPS-Bot | AG Humanoid Robots Lab – Prof. Dr. Maren Bennewitz
Ein Roboter, der zeichnet? Genau das demonstrierte der Sketch-O-Bot. Wer sich traute, nahm auf einem Stuhl Platz und wurde kurzerhand zum Modell – beobachtet von zahlreichen neugierigen Blicken. Wenige Minuten später entstand auf dem Papier ein präzises, feinliniges Porträt, ausgeführt vom mechanischen Arm des Roboters.
Direkt daneben forderte der RPS-Bot zum Spiel heraus: Eine Roboterhand mit fünf Fingern, die „Schnick-Schnack-Schnuck“ spielte und erstaunlich oft gewann.
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Seek and You Shall Find: Wenn Roboter Schubladen öffnen | AG Robot Perception & Learning – JProf. Dr. Herman Blum
Bei der Station „Gesucht & Gefunden“ zeigte der Haushaltsroboter Stretch, wie er mithilfe von Kameras und KI-Algorithmen gezielt Gegenstände finden kann. Routiniert öffnete er Schubladen, identifizierte Objekte und reagierte auf die Hinweise der Besucher*innen. So wurde anschaulich, wie Roboter lernen, ihre Umgebung wahrzunehmen und auf neue Situationen zu reagieren – Fähigkeiten, die künftig auch in der häuslichen Assistenz oder Logistik eine zentrale Rolle spielen könnten.
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It’s a Kind of Light Magic: Laser, Licht und Kommunikation in Bewegung | Laser & Light Lab AG Communication Systems – Dr. Matthias Frank
Schon von weitem lockte das Laser & Light Lab Besucher*innen mit farbenprächtigen Lichtshows in den Innenhof des Informatik-Zentrums. Hier präsentierten Studierende aus Bachelor- und Masterstudiengängen der Informatik ihre Arbeiten rund um IDN (ILDA Digital Network) und die International Laser Display Association (ILDA). Wer wollte, durfte selbst zum „Laser-Jockey“ werden. Dass die Bonner Laser-Expertise auch international Beachtung findet, zeigte sich zuletzt eindrucksvoll: Sowohl die studentischen Arbeiten als auch Dr. Matthias Frank selbst wurden im vergangenen Jahr mit einem ILDA Award ausgezeichnet. Ein schönes Beispiel dafür, wie Forschung, Lehre und kreative Technikgestaltung Hand in Hand gehen.
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AI is here to help: KI-Servicezentrum WestAI | Konsortium der Universität Bonn, Fraunhofer, RWTH Aachen, FZ Jülich, TU Dortmund & Universität Paderborn
Wie kann Künstliche Intelligenz beim Lernen helfen? Diese Frage beantworteten die Projektmanagerin Dr. Xenia Grote des KI-Servicezentrums WestAI mit einem interaktiven Experiment. Besucherinnen testeten den KI-Prüfungshelfer, der zeigt, wie maschinelles Lernen Wissen vermitteln und Prüfungen unterstützen kann – ein Projekt, das aus einer Forschungskooperation mit dem mittelständischen U-Form Verlag entstanden ist.
Das Servicezentrum bietet praxisnahe KI-Beratung für Forschung und Mittelstand, fördert Kooperationen und ermöglicht Zugang zu modernster KI-Hardware – gefördert vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt.
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Über die Informatik hinaus: Technik zum Mitmachen in allen Facetten
Auch aus anderen Fachbereichen wussten Mitmachangebote die Besucherinnen und Besucher zu begeistern: So veranschaulichte eine Demonstration der Landtechnik technische Möglichkeiten zur Überwachung von Wärmeentwicklung in Futtersilage und gab Einblicke in moderne Technologien im Kuhstall. Bei einem digitalen Knobelspiel aus der Geodäsie und Geoinformation konnten sich Interessierte auf spielerische Weise daran versuchen, Fragestellungen aus der Kartographie zu lösen, und erfuhren dabei, wie digitale Landkarten entstehen. Wie erneuerbare Energien helfen können, unsere Zukunft auf diesem Planeten zu sichern, beleuchteten das Physikshow-Musical »Zukunftsenergien — Zukunftsmusik?« mit ausgewählten Szenen sowie erste Rätsel des Escape-Rooms »2051: Energie im Weltraum«. Das Transfer Center enaCom wiederum beschäftigte sich an seinem Stand mit Innovationen und künstlicher Intelligenz.
Ein Blick zurück: Rechnen wie in den 1960er Jahren
Drehte sich bei der Informatik vieles um die Zukunft, schauten die Mitarbeitenden des Arithmeum, zurück in die Geschichte des maschinellen Rechnens: Mithilfe von originalen Rechenmaschinen aus den 1960er Jahren lernten die Besucherinnen und Besucher, wie Menschen früher mathematische Probleme lösten. Ergänzende Vorträge gaben Einblicke in die Welt der Kryptographie und schlugen so die Brücke zwischen historischem Rechnen und moderner Datensicherheit.
Rückblick und Ausblick
Die Nacht der Technik Bonn Rhein-Sieg fand in diesem Jahr bereits zum vierten Mal statt und verband erneut Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Die Veranstaltung öffnet alle zwei Jahre die Türen zu Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Raum Bonn/Rhein-Sieg. lassen die Besucher:innen Ihre Technik vor Ort live erleben. Die Uni Bonn ist zum zweiten mal dabei. Initiert wird die Eventreihe vom Verband Deutscher Ingenieure (VDI) gemeinsam mit dem Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE).
Auch beim nächsten Mal wird die Universität Bonn voraussichtlich wieder dabei sein mit neuen Experimenten und garantiert leuchtenden Augen bei kleinen und großen Technikfans.
Übrigens: Wer das Physikshow-Musical „Zukunftsenergien – Zukunftsmusik?“ in voller Länge erleben möchte: Bald geht die Show auf Deutschlandtour.